Beteiligung in der Lausitz könnte effektiver sein, wenn auch die sächsische Seite die Arbeit der Bürgerregion Lausitz fördern würde, ist Vereinschefin Dagmar Schmidt überzeugt. Foto: Paul Glaser, 2022

Das international bekannte Feel Festival am Bergheider See hat auf den ersten Blick nicht viel mit Beteiligung zu tun. Einmal im Jahr feiern in Lichterfeld-Schacksdorf im Kreis Elbe-Elster 15.000 Menschen, die oft von weither angereist sind. Viele der Gäste wissen vielleicht gar nicht, wo sie gelandet sind. Und nach vier Tagen sind die meisten genauso schnell wieder verschwunden.

Bisher lief das Festival recht losgelöst vom Leben in der Lausitz. Zwar gab es viel Hilfe und Unterstützung von Landwirten, Feuerwehren, Rettungsorganisationen, von lokalen Unternehmen und zahlreichen Freiwilligen. Nur die Region als solche war bisher kaum sichtbar. Das soll sich nun ändern. 2024 nutzten einige Kolleginnen und Kollegen aus unserem Netzwerk, der Bürgerregion Lausitzdas Event, um mit Gästen über unsere Region zu sprechen. In der Bürgerregion-Lounge im festivaleigenen Camp Carlowitz lockten sie mit gespendetem Kaffee und Kuchen; beides schwer begehrte Grundnahrungsmittel auf einem Festival.

Das Camp Carlowitz beschreibt die Veranstalterin des Feel Festivals, die Firma Firlefanz aus Berlin, als Ort der Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit. Zwischen Kleider tauschen, Lebensmittel retten und emissionsfrei Energie erzeugen wurde also 2024 erstmalig auch die Lausitz als lebenswerte Region durch die Bürgerregion Lausitz repräsentiert.

Dinge nutzen, die schon da sind

Was daran ist nun Beteiligung? Ganz einfach: Das, was nach dem Festival 2024 in Gang gekommen ist. Akteure wie das Besucherbergwerk F60, die von Anfang an dabei waren, fragten sich schon länger, wie Event und Region mehr zusammenkommen. Nicht nur für einen Moment hier landen, sondern in die Lausitz hineinwirken war das Ziel. Bisher fehlte die Initialzündung für die regionale Einbindung, das Sich-Verabreden und Pläne-Machen. Diesen Part hat nun die Bürgerregion übernommen. Inzwischen gibt es das Netzwerk Lokale Bühne Feel Festival. Im Resultat bekommt das Festival 2025 eine regionale Bühne, gefördert aus dem Projektfonds Kulturplan Lausitz.

Das Beispiel zeigt, dass es mit „Wir fragen die Bürgerinnen und Bürger“ allein nicht getan ist. Dabei braucht sich zu beteiligen, mitzumachen und mitzugestalten erstmal keinen großen Rahmen. Beteiligen heißt auch, die Dinge für sich zu nutzen, die schon da sind. In diesem Fall einen Stand im Camp Carlowitz, um dort wiederum mit vielen verschiedenen Menschen Gespräche über die Lausitz zu führen. So erfahren wir, was sie sich wünschen von der Region, wenn sie früher anreisen oder länger bleiben möchten. Wenn sie vielleicht sogar ihren Lebensmittelpunkt hierher verlegen.

Gäste erhalten Zugang zur Lausitz

Dabei haben wir auch erfahren, dass sich die Gäste nicht nur für das Festival interessieren. Das Interesse an regionalen Bezügen ist groß. Welche Perspektiven bietet die Region? Was macht sie aus? Wie ist es um Kunst und Kultur bestellt? Was gibt es außer Industrieansiedlungen und Arbeitsplätzen noch? Wir als Bürgerregion Lausitz können diese Perspektiven aufzeigen – erstmal neutral und losgelöst von den Interessen einzelner Kommunen oder Unternehmen.

Im nächsten Schritt kann die Lausitz mit einer regionalen Bühne punkten, die von den Beteiligten gemeinsam gestaltet wird. Denn für Zuziehende, die in Bewegung sind, ist das ein zentraler Punkt: Was kann ich erleben? Was kann ich bewegen? Und wer unterstützt mich dabei?

Mit einer lokalen Bühne kann die Region in diesem Jahr Antworten geben. Kunst, Kultur, Handwerk, Tourismus, Arbeitsplätze – all das soll sichtbar sein. Die Region erhält Zugang zum Festival. Die Gäste erhalten Zugang zur Region. Eigentlich ganz einfach – für einzelne Akteure allerdings nur schwer umsetzbar. Deshalb braucht es die Bürgerregion Lausitz als verbindende Akteurin, die die Menschen mit ihren Ideen und Wünschen in den Blick nimmt und einen Austausch mit regionalen Partnerinnen und Partnern organisiert.

Demokratie im Alltag erfahren

Wie könnte Beteiligung in der Lausitz noch viel effektiver sein? Wenn auch die sächsische Lausitz Teil der Bürgerregion Lausitz wäre. Die Förderung für ein ähnliches Projekt auf sächsischer Seite ist Ende 2024 nach nur zwei Jahren ausgelaufen. Ein Folgeprojekt ist derzeit nicht in Sicht. In Brandenburg hat das Netzwerk eine vierjährige Förderung bis 2026 erhalten. Damit lässt sich wirksam arbeiten. Wegen unserer Ländergrenze ist die Bürgerregion Lausitz deshalb nur eine halbe Bürgerregion.

Wenn wir über die Krise von Demokratien sprechen, müssen wir uns fragen, wo Menschen diese abstrakte Demokratie denn erfahren können. Nämlich da, wo Menschen auch im Kleinen aushandeln, wie sie ihre unmittelbare Umgebung gestalten wollen. Wenn Demokratie in diesem Rahmen beteiligt, wird sie Teil der Lebenswirklichkeit und verbindet sich mit dem Alltag. Das schafft praktische Zugänge.

Beteiligung zeigt Menschen, was außerhalb von Wahlen demokratisch möglich ist. Wenn sie Menschen ehrlich beteiligt. Es reicht nicht nur zu fragen: „Seid ihr einverstanden?“ Es muss heißen: „Was sind eure Ideen?“ Und aushandeln, wie wir es machen. Oder wie es Sebastian Zoepp von der SPREEAKADEMIE im Januar an dieser Stelle ausgedrückt hat: Beteiligung ist weit mehr als nur die eigenen politischen Interessen zu legitimieren. Nicht immer, aber unserer Meinung nach, immer öfter, wäre ein großer Erfolg.

Dagmar Schmidt, 56, ist Vorsitzende des Vereins Lausitzer Perspektiven. Gemeinsam mit weiteren Vereinen hat sie das Netzwerk Bürgerregion Lausitz ins Leben gerufen, das bis Dezember 2026 mit Mitteln aus dem Stark-Bundesprogramm und Mitteln des Landes Brandenburg gefördert wird. Schwerpunkt der Bürgerregion Lausitz ist eine niedrigschwellige Beteiligung von Menschen am Strukturwandel.

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