Best Practice für die kulturelle Beteiligung einer ganzen Region: das „kursbuch oder-spree“
Das „kursbuch oder-spree“ ist ein jährlich erscheinendes Buch mit persönlichen Geschichten aus der Region. Es nähert sich den großen Themen der Zeit und betrachtet sie im Kleinen. Gleichzeitig ist es die Grundlage für die Jahres-Ausstellung im „museum oder-spree“ auf der Burg Beeskow.
Seit 1906 gab es in Beeskow einen „Kreiskalender“, der vor allem geschichtliche Zusammenhänge der Region behandelte. 2020 löste ihn das jährlich erscheinende „kursbuch oder-spree“ ab. Darin erzählen Menschen der Region ihre Geschichte. Ein Jahresthema gibt die grobe Richtung vor. „Vom Holen und Bringen“ heißt es in 2025. In den Jahren zuvor gab es bereits „Vom Essen und Trinken“, vom „Abreißen und Aufbauen“, „Vom Haben und Brauchen“ oder vom „Kommen und Gehen“. Großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien unterstützen den Reportage-Charakter.
Das Kursbuch ist in ein breites Beteiligungskonzept eingebettet
Die persönliche Perspektive, aus der die Menschen von ihrer Region erzählen, ist ein Teil davon. Gleichzeitig ergibt sich aus dem Buchtitel das Jahresthema des „museums oder-spree“ auf der Burg Beeskow. Zu den Texten und Bildern aus dem Kursbuch gesellen sich dann auch Ausstellungs-Objekte, die die Portraitierten als Leihgabe dazu geben, um ihre Geschichte erlebbarer zu machen.
Eine Lesetour erweitert den Kreis der Beteiligten. Sie macht Halt in den Orten, in denen die Portraitierten leben oder an denen ihre Geschichte spielt – oft an entlegenen Fleckchen des Landkreises. Mit dabei sind dann die Autorinnen und Protagonisten der Geschichten. Durch Zuhören, zusätzliche Redebeiträge, durch Austausch und Einander-Kennenlernen vervielfältigen sich die Perspektiven und werden Teil der regionalen Kultur.
Das Feedback der Menschen in der Region ist sehr positiv
Davon berichtete Stephanie Lubasch in der September-Ausgabe unseres Online-Formates „Mehrwert“. Die Leiterin der Burg Beeskow hat das inhaltliche Konzept des Kursbuches maßgeblich mitgestaltet. „Die Menschen fühlen sich gesehen und gehört und merken, dass sie die Geschichte ihrer Region mitschreiben können. Sie freuen sich, dass wir zu ihnen kommen und mit ihnen über Themen sprechen, die sie bewegen.“
Den Kulturbegriff fasst Stephanie Lubasch bewusst weit. Für sie gehört alles um uns herum dazu. Und damit kommen auch jede und jeder in Frage, etwas über die Region zu erzählen. Die Lesungen sind gut besucht. „Viele, die zu diesen Veranstaltungen kommen, würden nicht auf die Burg Beeskow kommen, um hier einer Lesung zu lauschen“, ist sich Stephanie Lubasch sicher. Viel zu weit sind die Wege. „Also kommen wir zu ihnen.“
Wichtiger Nebeneffekt: Mit jedem Kursbuch erweitert sich das Netzwerk in die Region
Das macht ein weiteres Projekt namens „Campus Schreib Kultur“ möglich, in dem drei Autorinnen und Autoren für einige Wochen in jeweils einem kleinen Dorf des Landkreises leben und dort mithilfe von Ortspatinnen und Ortspaten Teil des gesellschaftlichen Lebens werden. Die Texte, die dabei entstehen, präsentieren sie in einer Lesung in „ihren“ Dörfern. Daraus ergeben sich drei Veranstaltungen an einem Tag, die mit einer Bustour verbunden sind. Das Druckprodukt, das am Ende daraus entsteht, ist eine Landkarte des Dorfes, auf der die Menschen im Vorfeld wichtige Orte eingetragen haben. Auf der Rückseite präsentieren sich die entstandenen Texte mit passenden Bildern.
Wie ist das möglich? Beteiligung ist doch so schwierig
Stephanie Lubasch schwört auf direkte Kontakte – auf ein regionales Team aus Autorinnen, Journalisten und Fotografen, zu denen die Menschen Vertrauen aufbauen können. „Schließlich erwarten wir eine ganze Menge von ihnen“, beschreibt sie das Gefühl, öffentlich von sich zu erzählen und dann auch noch in einem Buch und in einer Ausstellung verewigt zu sein. Dass bisher jede persönliche Anfrage zu einer Geschichte im Kursbuch geführt hat, spricht für das Konzept.
Stephanie Lubasch war zu Gast bei unserem monatlichen Online-Format „Mehrwert“. Demnächst könnt ihr euch die Veranstaltung auf unserem youtube-Kanal ansehen. Wer mehr über das Beteiligungskonzept erfahren oder durch die Kursbücher stöbern möchte, meldet sich bei ihr: stephanie.lubasch@l-os.de.